Hilfe zur Erziehung

Nicht bei allen Problemen ist eine ambulante Psychotherapie die beste Maßnahme. Besonders bei anhaltenden Konflikten in der Familie ist eine Hilfe zur Erziehung hilfreich und für das Kindeswohl notwendig.

 

Darauf verweisen die wissenschaftlichen medizinischen Leitlinien bei manchen psychischen Erkrankungen von Kindern (z.B. die Leitlinie zu ADHS). Der Psychotherapeut Ronald Schmidt informiert Berufskollegen über die Indikation für die Jugendhilfe. 


Eltern haben einen Anspruch auf Hilfe

Eltern haben einen Rechtsanspruch auf eine Hilfe zur Erziehung, wenn eine dem Wohl des Kindes entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für die Entwicklung des Kindes geeignet und notwendig ist (§27 SGB VIII).


Eltern haben die Pflicht, ihr Kind zu erziehen

Eltern haben nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, ihr Kind zu erziehen und für ihr Kind zu sorgen (Grundgesetz Artikel 6 Absatz 2).

 

Ob eine Hilfe zur Erziehung erfolgreich verläuft, ist abhängig von drei Bedingungen:

(1) Die Qualität der Arbeit im Allgemeinen Sozialen Dienst: Zum Beispiel, ob eine geeignete Hilfe ausgewählt wird.

(2) Die Qualität der Arbeit des Erbringers der Hilfe, also meisten des Freien Trägers: Zum Beispiel, ob der Träger eine Einrichtung betreibt, die fähig ist, mit den Problemlagen der Kinder und Jugendlichen umzugehen.

(3) Die Bereitschaft und die Fähigkeit der Erziehungsberechtigten zur Kooperation, zum Beispiel die Motivation und die Fähigkeit, das Erziehungsverhalten zu reflektieren und zu verändern.


Ambulante Hilfe zur Erziehung

Es gibt verschiedene ambulante Hilfe zur Erziehung. Dazu gehören vor allem:

  • Erziehungsberatung (§28 SGB VIII)
  • Soziale Gruppenarbeit (§29 SGB VIII)
  • Erziehungsbeistand (§30 SGB VIII): Ein Erziehungsbeistand soll "das Kind oder den Jugendlichen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfelds unterstützen".
  • Sozialpädagogische Familienhilfe (§31 SGB VIII): Die Familienhilfe unterstützt Familien bezüglich "Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen".

Fachliche Standards: Beispielsweise gibt es für die Erziehungsberatung als wesentliche Arbeitsgrundlage die durch die Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) festgelegten fachlichen Standards.


Wenn eine ambulante Hilfe nicht ausreicht

Wenn eine ambulante Hilfe nicht ausreichend ist, gibt es diese intensiveren Hilfen zur Erziehung:

  • Tagesgruppe (§32 SGB VIII): Das Kind besucht eine Tagesgruppe, in der soziales Lernen stattfindet. Es findet eine schulische Förderung und Elternarbeit statt. Weitere Informationen auf www.mbjs.brandenburg.de
  • Pflegefamilie (§33 SGB VIII): Die Aufnahme in eine Pflegefamilie kann eine zeitlich befristete Maßnahme sein oder eine auf Dauer angelegte Lebensform.
  • Einrichtung (§34 SGB VIII): Diese Hilfe besteht aus Erziehung in einem Heim, oder in einem betreutem Wohnen für Kinder und Jugendliche. Diese Hilfe kann auf längere Zeit angelegt sein oder vorübergehend bei Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie.

Die passende Hilfeart

Entscheidend zu wissen ist, dass nicht immer eine ambulante Hilfe ausreicht. Es gilt in der Fachliteratur als Fehler, wenn Fachpersonen standardmäßig <<guten Gewissens für eine niederschwellige und günstige Hilfeart entscheiden“. Die immer noch gebräuchliche Maxime „ambulant vor stationär“ geht in eine ähnliche Richtung. Ein solcher „Kurzschluss“ wäre allerdings fatal>> (Macsenaere, 2019: Evaluation ambulanter Jugendhilfemaßnahmen. In: Empirische Grundlagen der familienrechtlichen Begutachtung).

 

Studien zeigen, dass in ca. 30% der Fälle "eine kontraindizierte Hilfe gewählt wird – nicht selten ökonomisch veranlasst" (Arnold 2014: Gretchenfrage Indikation: Grundlagen für eine passgenaue Hilfewahl; Macsenaere et al 2009: EST! Evaluation der Sozialpädagogischen Diagnose-Tabellen; Schmidt et al. 2002:  Effekte erzieherischer Hilfen und ihre Hintergründe).


Hilfeplan

Als Grundlage für die Ausgestaltung der Hilfe wird mit den Eltern und dem Kind ein Hilfeplan erstellt. Im Hilfeplan wird aufgeschrieben, welchen Bedarf es für eine Hilfe zur Erziehung gibt und welche Art der Hilfe zur Erziehung umgesetzt wird. 

 

Das Erstellen eines Hilfeplans wird Hilfeplanverfahren genannt (wikipedia.org/wiki/hilfeplanverfahren).


Beantragung einer Hilfe zur Erziehung

Eine Hilfe zur Erziehung sollten Sie schriftlich beantragen, da einige Eltern berichten, dass sie es im Gespräch mit dem Jugendamt schwer fanden, die Problematik verständlich zu machen.

 

Zuständig für eine Hilfe zur Erziehung ist der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) im www.landkreis-oder-spree.de Der ASD hat verschiedene Teams je nach Wohnort der Familie: z.B. das ASD-Team für Eisenhüttenstadt.


Beratung für Kinder und Jugendliche

Eine Hilfe zur Erziehung richten sich an die Eltern von Kindern und Jugendlichen. Aber auch Kinder und Jugendliche selbst haben ein Recht auf Beratung (§8 Absatz 2 SGB VIII). Sie können sich bei allen Fragen oder Problemen zum Thema Erziehung oder für ihre Entwicklung ans Jugendamt wenden.

 

Die Beratung ist kostenlos. Die Inhalte der Beratung werden grundsätzlich vertraulich behandelt aufgrund der Schweigepflicht. www.landkreis-oder-spree.de Du kannst direkt zur Erziehungs- und Familienberatungsstelle gehen (Friedrich-Engels-Straße 1,15890 Eisenhüttenstadt) oder vorher dort anrufen unter Tel. 03364-771492. 

 

Weitere Beratungsstellen gibt es in Beeskow, Fürstenwalde und Erkner (mehr Infos).


Psychotherapie und Jugendhilfe

Die meisten Kinder, Jugendlichen und deren Eltern, die in meiner Praxis erscheinen, werden bzw. wurden schon vom Jugendamt betreut. Trotz Jugendhilfemaßnahmen ist die Rat- und Hilflosigkeit von Eltern oft groß. Häufig zeigt sich im Rahmen der Psychotherapeutischen Sprechstunde, dass eine psychische bzw. Verhaltensstörung bei einem Kind / Jugendlichen vorliegt, eine dringende Hilfebedürftigkeit vorhanden ist, aber trotzdem keine Psychotherapie indiziert ist. Denn eine Psychotherapie ist nur indiziert bei ausreichender Aussicht auf Erfolg, nämlich dass durch Psychotherapie-Maßnahmen eine Erkrankung reduziert werden kann.

 

Es gibt jedoch oft ungünstige soziale Problemlagen im Umfeld von Kindern und Jugendliche, welche maßgeblich sind für die Aufrechterhaltung der Erkrankung: Dazu gehören insbesondere Probleme in der Erziehung. Eine Psychotherapie nach der Psychotherapie-Richtline der Krankenversicherung ist jedoch keine Erziehungsberatung.

 

Für diese Situationen gibt es in Berlin im Gegensatz zu Brandenburg eine Tradition der Psychotherapie in der Jugendhilfe (Handbuch der Psychotherapie in der Jugendhilfe). Notwendig ist oft eine "intensive therapeutisch orientierte Arbeit mit den Eltern und dem Bezugsumfeld, die die sozialen Ursachen der Auffälligkeiten beseitigt und dennoch eine Psychotherapie des Jungen [oder des Mädchens] mit einschließt". Psychotherapien sind oft notwendige Hilfemaßnahmen in der Jugendhilfe, bestätigt das Handbuch. 

 

Eine Psychotherapie finden dann nicht im Rahmen der Krankenversicherung (SGB V) statt, sondern nach dem Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz (SGB VIII): Als Hilfe zur Erziehung (§27 SGB VIII), Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen (§ 35a SGB VIII) oder als Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII). Jugendhilfe-Psychotherapien sind nicht nachrangig zur Krankenkassen-Psychotherapie, sondern eine eigenständige Indikation.


Fachliteratur & Links

Erstes Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (AGKJHG) in Brandenburg

 

Handbuch Allgemeiner Sozialer Dienst (ASD): Merchel, 3. Auflage, 2019. 

 

Handbuch der Hilfen zur Erziehung: Macsenaere, Esser, Knab, Hiller, 1. Auflage, 2014.

 

Sozialgesetzbuch VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Lehr- und Praxiskommentar: Kunkel, Kepert, Pattar, 7. Auflage, 2018.

 

Frankfurter Kommentar SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe: Münder, Meysen, Trenczek. 8. Auflage, 2019.