Schulabsentismus

Das Nichterscheinen in der Schule wird Schulabsentismus genannt. Dabei kann es zu mehreren Problemen kommen: Das Vermeidungsverhalten kann sich schnell stabilisieren, sodass es schwer veränderbar ist. Es kommt zu Konflikten zwischen dem Schüler, seinen Eltern und den Lehrern. Der Schüler ist zunehmend isoliert und sein Glaube daran, etwas erreichen zu können, wird kleiner. Die Fehlzeiten führen außerdem zu Wissenslücken und dadurch zu Gedanken wie: "Jetzt schaffe ich doch sowieso nichts mehr". Es kann auch dazu kommen, dass sich der Schlaf-Wach-Rhythmus verändert.

Schulgesetz

Die Verantwortung für die Einhaltung und Durchsetzung der Schulpflicht ist in Paragraph 41 des Brandenburgischen Schulgesetzes geregelt: Die Eltern müssen dafür sorgen, dass eine regelmäßige Teilnahme am Unterricht erfolgt.

 

Die Lehrer / die Schulleitung sind verpflichtet, zum Schulbesuch anzuhalten und den Schüler und seine Eltern persönlich zu beraten. Hierzu gibt es eine Handlungsanleitung zur Durchsetzung der Schulpflicht bei unentschuldigtem Fernbleiben. Hierzu gibt es auch eine Anlage. Wichtige Inhalte sind:

  • Schulen müssen ein Konzept haben, um Schulabsentismus zu verhindern. Dazu zählt, den Unterricht so zu gestalten, dass Schüler zur Anwesenheit motiviert werden. Auch ein Konzept zum Umgang mit Konflikten muss vorhanden sein.
  • Die Schule muss dafür sorgen, dass Schüler keine Ängste entwickeln.
  • Auf ein unentschuldigtes Fernbleiben müssen die Lehrer / die Schulleitung umgehend reagieren. 
  • Die Schule muss die Ursachen des Schulabsentismus eines Schülers klären und Lösungsmaßnahmen für die Probleme erarbeiten.

Wenn dennoch der Schüler nicht zur Schule geht, kann das Schulamt entscheiden, dass der Schüler mit Zwang (durch die Polizei) zur Schule gebracht wird. Gegen die Eltern kann ein Zwangsgeld festsetzt werden sowie eine Geldbuße auch gegen den Schüler in Höhe von bis zu 2500 Euro.

Gründe für Schulabsentismus

Beim Schulabsentismus handelt es sich nicht um ein einheitliches Störungsbild. Schulabsentismus kann ein Symptom oder die Folge mehrere psychischer Störung sein sowie von Belastungen im Leben des Schülers. Mögliche Gründe für Schulabsentismus sind:

  • Schuleschwänzen: Der Schüler geht ohne Wissen und ohne Erlaubnis der Eltern nicht zur Schule weil er keine Lust darauf hat. Dies kann ein Symptom einer Sozialverhaltensstörung sein und wird dissoziale Schulverweigerung genannt.
  • Trennungsangst: Der Schüler hat Angst vor Situationen, die eine Trennung von seinen Bezugspersonen (seinen Eltern) erfordert. Teilweise wird dies als "Schulphobie" bezeichnet.
  • Soziale Angst: Es besteht Angst vor dem Kontakt mit anderen Menschen. Das heißt: Angst, sich peinlich zu benehmen oder sich lächerlich zu machen und von anderen Menschen negativ bewertet zu werden.
  • Prüfungsangst: Angst, die in und vor Leistungssituationen, z.B. Klassenarbeiten, auftritt.

Man kann auch von "Schulangst" sprechen. Jedoch drückt dieses Wort nicht genau aus, wovor ein Schüler genau Angst hat: Angst, bei Arbeiten zu versagen, Angst, andere zu enttäuschen, Angst, bloßgestellt zu werden...

Verursachung von Schulabsentismus

Es wird davon ausgegangen, dass es nicht eine Ursache von Schulabsentimsmus gibt. Stattdessen ist von einer multi-faktoriellen Verursachung auszugehen. Mögliche Einflüsse sind beispielsweise:

  • Faktoren beim Schüler: Temperamentsmerkmale, Intelligenz, Konzentrationsfähigkeit
  • Faktoren in der Schule: Beziehungen zu Gleichaltrigen, Mobbing, Klassenklima, Leistungsanforderungen
  • Faktoren in der Familie: Belastungen in der Familie (z.B. Streit zwischen den Eltern, psychische Erkrankung eines Elternteils), Erziehungsverhalten der Eltern, Bildungsabschluss der Eltern, Einkommen der Eltern.

Die Faktoren können nicht isoliert betrachtet werden, sondern sie stehen in Wechselwirkung zueinander.

Diagnostik im Rahmen der Psychotherapie

Mit dem Schüler und den Eltern wird die Anamnese erhoben (Krankheitsgeschichte, Biographie). Das Verhalten und die Symptome werden analysiert um herauszufinden, ob eine psychische Störung (z.B. eine Angststörung) vorliegt.

 

Eine Leistungsdiagnostik wird durchgeführt: In meiner Praxis stehen hierfür Aufgaben des WISC-V für das Alter von 6 Jahren bis zum 17. Geburtstag zur Verfügung. Die Aufgaben umfassen die Bereiche Arbeitsgedächtnis, Sprachverständnis, Verarbeitungsgeschwindigkeit, visuell-räumliches Denken und fluides Schlussfolgern. Wichtig ist, dass die Leistungsanforderungen der Schule zum Leistungsniveau des Schülers passen.

 

Außerdem wird untersucht, ob eine Lese-Rechtschreibstörung, Rechenstörung, oder Sprachentwicklungsstörung vorliegt.

 

Treten körperliche Beschwerden auf (z.B. Übelkeit, Bauch- oder Kopfschmerzen), soll ein Arzt hierzu eine Untersuchung durchführen.

Hilfen

Unbedingt notwendig: Koordination der Hilfen

Wichtig ist, dass Lehrer*innen so schnell wie möglich reagieren, wenn Schüler*innen nicht mehr in der Schule erscheinen. Nicht selten sind Kinder und Jugendliche in meiner psychotherapeutischen Praxis erschienen, nachdem sie schon mehrere Monate nicht mehr in der Schule waren. In dieser Zeit hat sich das Verhalten (die Gedanken, Gefühle, das Nicht-zur-Schule-Gehen) verfestigt und ist nur schwer änderbar.

 

Unbedingt erforderlich ist, dass sich alle Beteiligten, um eine enge Zusammenarbeit aller beteiligen, die involviert sind: Das sind zunächst die Eltern und die Klassenlehrer*innen, Schüler*innen, die Schulleitung, die Sozialarbeiter*innen der Schule und des Jugendamtes, Schulpsycholog*innen, Haus- / Kinderärzt*innen, Psychotherapeut*innen. Wichtig ist, zu definieren, wer die Leitung und Koordination für die Hilfsmaßnahmen übernimmt.

Wie Ärzt*innen eine Verschlechterung (Aggravation) verhindern können

"Krankschreibungen und auch die Verordnung von „Mutter-Kind-Kuren“ verstärken die Symptomatik und sind somit in aller Regel kontraindiziert", heißt es in einer Veröffentlichung im Ärzteblatt.

 

"Eine Krankschreibung aufgrund etwaiger psychosomatischer Beschwerden ist kontraindiziert, weil diese das schulvermeidende Verhalten zusätzlich verstärkt (Legitimierung des Fehlens) und so zu einer Chronifizierung beiträgt."


Schulabbruch: Sehr häufig in Deutschland

Auch in den Medien wird zunehmend über die Problematik des Schulabbruchs berichtet (zum Beispiel in der NDR-Dokumentation Jugend ohne Abschluss): Seit 2013 steigt die Quote der Schulabbrecher*innen in Deutschland. Aktuell liegt sie bei 6,8 Prozent. Die Aussichten für Jugendliche ohne Schulabschluss sind leider nicht gut: Es droht Arbeitslosigkeit, da es nur wenige Lehrstellen für Jugendliche ohne Abschluss gibt. 2016 hatten mehr als ein Viertel der 25- bis 34-Jährigen keine Berufsausbildung, darunter sind zu einem Großteil Schulabbrecher*innen.

 

Die Politik hatte sich zum Ziel gesetzt, dieses Problematik anzugehen: Auf dem Bildungsgipfel 2008 vereinbarten die Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Bildungsminister*innen der Länder: Bis 2015 soll die Abbruchquote auf vier Prozent sinken. Erreicht wurde dieses Ziel nie. Als es nicht erreicht wurde nach Ende dies Zielzeitraumes wurde es nicht weiter beachtet.

Links

Ratgeber etc.

Walter, D. & Döpfner, M. (2021): Ratgeber Schulvermeidung

 

Schneider, S. & S. Borer, S.: Nur keine Panik! Was Kids über Angst wissen sollten 

 

Richter, W. & Pieritz, R.: Klassenarbeiten? Das schaff ich schon! (Audio-CD für Kinder)

 

Krowatschek, D.  & Domsch, H.: Stressfrei in die Schule: Ängste überwinden (Für Eltern und Lehrer*innen)


Fachliteratur

Walter, D. & Döpfner, M. (2020): Schulvermeidung

 

Soziale Ängste und Schulangst: Entwicklungsrisiken erkennen und behandeln (S. Melfsen, S. Walitza)