Wie entstehen psychische Störungen?

Allgemein geht man von einem bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell aus, also von einer multifaktoriellen Verursachung psychischer Störungen. Biologische, psychische und soziale Faktoren beeinflussen sich in einem dynamischen Wechselwirkungsverhältnis gegenseitig. Für einzelne psychische Störungen wurden spezielle störungsspezifische Erklärungsmodelle entwickelt. Nachfolgend aufgeführt sind hingegen störungsübergreifende Entstehungsmodelle.

Vulnerabilitäts-Stress-Modell

Der Name dieses Modell beschreibt, dass zwei wichtige Faktoren zusammenkommen für die Entstehung psychischer Störungen:

  1. Vulnerabilität: Damit gemeint ist die Verwundbarkeit für Krankheiten, welche im Laufe des Lebens erworben wurde. Eine Verwundbarkeit kann such entwickeln z.B. durch ungünstige Erfahrungen in der (frühen) Kindheit, z.B. durch Vernachlässigung oder Komplikationen in der Schwangerschaft und beim Geburtsverlauf. Der Begriff Disposition meint die Anlage für die Entstehung von Krankheiten durch genetische und biologische Faktoren. Die Disposition für die Entstehung einer bestimmten Krankheit wird auch Diathese genannt.
  2. Stressoren: Dies sind kritische Lebensereignisse, die eine psychische Erkrankung auslösen können. Hierzu kommt es, wen die Belastungen zu groß sind und schützende Faktoren (z.B. ein positives Familienklima, soziale Unterstützung) zu gering sind.

Entwicklungspsychopathologie

Die Entwicklungspsychopathologie ist eine wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Entstehung und dem Verlauf von psychischen Störungen befasst. Ziel ist es, Risiko- und Schutzfaktoren im Entwicklungsprozess zu identifizieren. Aus der Forschung wurden manche Risikofaktoren recht stabil identifiziert. Zum Beispiel haben Kinder aus Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status (wiki/Sozioökonomischer_Status) generell ein höheres Risiko für psychische Störungen. Auch in Bezug auf bestimmte psychische Störungen kennt man Risikofaktoren, beispielsweise liegen umfangreiche Erkenntnisse zur Verursachung von aggressivem Verhalten im Kindesalter vor.

 

Die Erkenntnisse über Faktoren, die eine psychische Störung verursachen, haben große Bedeutung für die Durchführung einer Psychotherapie. Denn es stellt sich immer die Frage, welche Faktoren, die eine Erkrankung verursachen und aufrechterhalten durch eine Psychotherapie veränderbar sind und welche nicht. Man geht z.B. bei ADHS davon aus, dass biologische Faktoren hauptsächlich die Verursachung ausmachen, während psychosoziale Faktoren die Folgen der Problematik maßgeblich beeinflussen.

Risikofaktoren

Vereinfacht gesagt kann man von einem Risikofaktor sprechen, wenn es einen statistisch bedeutsamen Zusammenhang zwischen dem Faktor und einer psychischen Störung gibt. Ist ein Risikofaktor vorhanden, steigt die Wahrscheinlichkeit für die Ausbildung einer psychischen Störung. Für das Auftreten psychischer Störungen spielen genetisch-biologische Faktoren eine Rolle, bei vielen Störungen im Kindes- und Jugendalter sind es insbesondere soziale Faktoren.

  1. Biologische Risikofaktoren

    Genetische Disposition, Schwangerschaftskomplikationen, Geburtskomplikationen, Hirnschädigung.

  2. Psychosoziale Risikofaktoren

    Familiäre Risikofaktoren:

    • Frühe Elternschaft
    • Psychische Störung der Eltern
    • Chronische Auseinandersetzungen
    • Verlust von Bezugspersonen

    Interaktionelle Risikofaktoren:

    • Chronischer Streit zwischen den Eltern
    • Dysfunktionale Kommunikationsmuster
    • Gestörtes Bindungsverhalten
    • Schwieriges Temperament des Kindes
    • Rigides, autoritäres Erziehungsverhalten
    • Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch
    • Konflikte in den Beziehungen zu Freunden


    Soziale Risikofaktoren:

    • Geringer sozioökonomischer Status (niedriger Schulabschluss, niedriges Einkommen, wenig Geldmittel, wenig Teilhabe an kulturellen Aktivitäten, benachteiligter Wohnort etc.)
    • Widrige Lebensumstände

Zu den psychosozialen Risikofaktoren zählen belastende Kindheitserfahrungen, Adverse Childhood Experiences (ACEs) (cdc.gov). Forschungsergebnisse zeigen (wiki/The_Adverse_Childhood_Experiences_(ACE)_Study), dass sich diese lebenslang negativ auf die Gesundheit und das Wohlbefinden auswirken können - und darüber hinaus sogar auf zukünftige Generationen.