ADHS

Symptomatik

Die Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörung hat, wie der Name bereits sagt, diese Kernsymptome:

  • Aufmerksamkeitsstörung
    und / oder
  • Impulsivität und Hyperaktivität

Eine Diagnose kann vergeben werden, wenn aufgrund dieser Symptome Beeinträchtigungen in mehreren Lebensbereichen vorliegen (z.B. in der Schule, in der Familie und in der Freizeit).

Diagnostik

Eine umfassende Exploration (Befragung) des Patienten und - besonders wichtig - seiner Bezugspersonen (Eltern, Lehrer / Erzieher) soll durchgeführt werden. Auch Zeugnisse sollen hierzu vorgelegt werden. Genau besprochen wird die aktuelle ADHS-Symptomatik in verschiedenen Lebensbereichen und Situationen, die Einschränkungen, aktuelle weitere psychische Symptome oder körperlichen Erkrankungen, Belastungen in der Schule und in der Familie, die Entwicklungsgeschichte, die Familienanamnese usw. Außerdem soll eine Verhaltensbeobachtung des Patienten durchgeführt werden. Eine körperliche (neurologische) Untersuchung soll durch einen Arzt durchgeführt werden.

Häufigkeit

Weltweite Studien und Studien bezogen auf Deutschland zeigen, dass etwa 5% der Kinder und Jugendlichen ADHS haben. ADHS trifft familiär gehäuft auf: Bei Verwandten ersten Grades findet sich ein deutlich erhöhtes ADHS-Risiko.

Verursachung

Mehrere Faktoren sind bei der Verursachung von ADHS beteiligt. Man spricht daher von einer multifaktoriellen Verursachung. Die größte Rolle spielen genetische Faktoren sowie negative Umwelteinflüsse vor, während oder nach der Geburt. Umwelteinflüsse, die im Zusammenhang mit ADHS stehen:

  • Rauchen in der Schwangerschaft
  • Alkoholkonsum in der Schwangerschaft
  • Frühgeburt
  • Vernachlässigung in der frühen Kindheit
  • Psychische Erkrankungen der Eltern
  • Ungünstiges Erziehungsverhalten (geringe Sensitivität der Eltern) 
  • Niedriger sozioökonomischen Status (geringes familiäres Einkommen).

Es wurde gezeigt, dass genetische Faktoren und Umwelteinflüsse in einer Wechselwirkung zueinander stehen. Eine problematische Mutter-Kind-Interaktion wirkt sich auf genetischer Ebene beim Kind aus, erkennbar an vermehrten Verhaltensauffälligkeiten im weiteren Verlauf des Lebens.  

 

Bei Kindern mit ADHS findet sich ein vermindertes Gehirnvolumen. Frontale Hirnregionen sind unteraktiviert, Regionen im Zusammenhang mit visueller, räumlicher und motorischer Verarbeitung sind erhöht aktiviert. Befunde zeigen, dass exekutive Funktionen bei Kindern mit ADHS beeinträchtigt sind (z.B. die motorische Inhibition). Basale neuronale Prozesse sind im Vergleich zu Gesunden beeinträchtigt, was zu einer Störung der Informationsverarbeitung führt. Außerdem sind Lernprozesse und die Selbstmotivation bei ADHS betroffen was zu Problemen beim Belohnungsaufschub und bei der Handlungskontrolle führt.

Differentialdiagnosen

Die Symptome (Aufmerksamkeitsstörung, motorische Unruhe und Impulsivität) können statt auf ADHS auch auf anderen Störungen beruhen. Hier einige Beispiele: Konzentrationsstörungen können z.B. im Zusammenhang von Depressionen, Angststörungen oder Schilddrüsenerkrankungen auftreten. Genauso kann es sein, dass z.B. eine Lese- / Rechtschreibstörung zu Unaufmerksamkeit führt. Eine Abneigung gegen schulische Aufgaben kann auch durch eine Störung des Sozialverhaltens bedingt sein.

Zusätzliche psychische Störungen

In den wenigsten Fällen tritt ADHS alleine auf. Im Kindesalter liegt in 50% der Fälle zusätzlich eine oppositionelle Störung des Sozialverhaltens vor. Beispielsweise liegen vermehrt auch Tic-Störungen, Angststörungen und Depressionen gleichzeitig vor. Eine Angststörung oder eine Depression kann auch infolge einer ADHS auftreten aufgrund von Schulversagen und sozialen Problemen mit Gleichaltrigen.

Behandlung

Ein multimodales therapeutisches Gesamtkonzeptes wird zur Behandlung von ADHS empfohlen. Hierbei kann eine psychotherapeutische und eine medikamentöse Behandlung kombiniert werden. Wichtig ist in allen Fällen eine umfassende Psychoedukation (Aufklärung des Patienten und der Bezugspersonen über ADHS). Außerdem soll immer ein individuelles Störungskonzept erarbeitet und Behandlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden.

 

Bei jungen Kindern unter 6 Jahren und bei leichter Ausprägung von ADHS soll auf eine Medikation verzichtet werden, bei mittlegradiger ADHS soll entweder eine intensivierte Psychotherapie oder eine medikamentöse Behandlung oder beides angeboten werden. Bei schwerer ADHS soll primär eine Pharmakotherapie angeboten werden und parallel eine Psychotherapie.

 

Wenn eine medikamentöse Behandlung indiziert ist, sollen Stimulanzien (Methylphenidat, Amfetamin und Lisdexamfetamin), Atomoxetin und Guanfacin in Betracht gezogen werden.

 

Wenn zusätzlich zur ADHS eine Sozialverhaltensstörung und Drogen-Missbrauch vorliegen, soll eine medikamentöse Behandlung durch einen Spezialisten mit Kenntnissen in der Behandlung von ADHS und Sucht erörtert werden. Es gibt Hinweise, dass eine Therapie mit Stimulanzien die ADHS-Symptomatik bei gleichzeitig vorhandener Substanzmissbrauchsstörung verbessert. Abzuklären ist bspw. ob langwirksame Stimulanzien oder alternativ Atomoxetin oder Guanfacin zum Einsatz kommen.

Ambulante / Stationäre Therapie

ADHS im Kindes- und Jugendalter wird normalerweise ambulant diagnostiziert und behandelt. Eine stationäre oder teilstationäre Therapie in einer Klinik kann nach nicht erfolgreicher ambulanter Therapie überlegt werden oder wenn eine erfolgreiche ambulante Therapie unwahrscheinlich ist: Bei einer besonders schwer ausgeprägten ADHS, koexistierenden Störungen (akute Eigen- oder Fremdgefährdung), geringen Ressourcen in der Familie / im Kindergarten / in der Schule oder ungünstigen psychosozialen Bedingungen. Bei dauerhaft unzureichenden Ressourcen in der Familie oder extrem ausgeprägter Symptomatik können auch längerfristige ambulante, stationäre oder teilstationäre Maßnahmen der Jugendhilfe erwogen werden. 

Psychotherapie zur Behandlung von ADHS

Psychotherapieprogramme richten sich vor allem, an Eltern und andere Bezugspersonen (Erzieher*innen, Lehrer*innen). Ansätze, die einen sehr guten Wirksamkeitsnachweis in Studien erbracht haben:

  • Therapieprogramm für Kinder mit hyperkinetischem und oppositionellem Problemverhalten (THOP): THOP richtet sich vor allem an Eltern von Kinder im Alter von ca. 3 bis 12 Jahren. 
  • Präventionsprogramm für Expansives Problemverhalten (PEP): Das PEP ist ein Elterngruppen- und Erziehergruppentraining. Es richtet sich an Eltern und Erzieher*innen von Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren.
  • Triple P Einzeltraining & Gruppenprogramm.

Behandlungsbausteine von THOP und Triple P sind hier dargestellt

 

Kindzentrierte Maßnahmen alleine haben nur einen geringen Wirksamkeitsnachweis. In randomisierten Kontrollgruppenstudien konnte die Wirksamkeit tiefenpsychologischer Therapie nicht belegt werden.

 

Für Erwachsene mit ADHS hat das Manual "Psychotherapie der ADHS im Erwachsenenalter" (Hesslinger B, Philipsen A, Richter H) einen sehr guten Wirksamkeitsnachweis.

Weitere Empfehlungen

Eine ausgewogenen Ernährung und regelmäßige Bewegung sind wichtig. Für die Gabe von Omega 3- und Omega 6-Fettsäuren kann nach heutigem Wissensstand keine Empfehlung gegeben werden.

Bücher & Materialien für Eltern

Zu den oben genannten Behandlungsprogrammen gibt es Materialien für Eltern und weitere Bezugspersonen:

  • Wackelpeter & Trotzkopf. Hilfen für Eltern bei hyperkinetischem und oppositionellem Verhalten. 
  • Wackelpeter & Trotzkopf in der Pubertät. Wie Eltern und Jugendliche Konflikte gemeinsam lösen können.
  • Eine App für Eltern, die ebenfalls Elemente dieses Programms darstellt heißt: ADHS-Kids, die es im App Store und Play Store gibt. Hierbei lernen Eltern die wichtigsten Methoden: Auf Positives achten, Spaß- und Spiel-Zeit, Regeln formulieren und effektiv auffordern, Loben, Konsequenzen setzen.
  • Triple P Elternarbeitsbuch. Dieses ist zur Selbsthilfe für Eltern von Kindern im Alter von 0 bis 12 Jahren gedacht..

 

Weitere Bücher sind:

 

Ratgeber ADHS. Informationen für Betroffene, Eltern, Lehrer und Erzieher zu Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörungen (M. Döpfner, J. Frölich, T.W. Metternich)

 

Kinder liebevoll und konsequent erziehen (S. Schmidt-Traub)

 

Phil, der Frosch. Ein Buch für Kinder mit ADHS, ihr Freundinnen und Freunde und alle, die sie gern haben (H. Zeyen)

 

Zappel-Zirkus Zacharias. Ein Buch für zappelige Zirkuskinder mit ADHS, ihre Zirkusfamilien, Freunde und Zirkusdompteure (F. Zais, C. Michalak, M. Rumpf, M. Schulte)

 

Erfolgreich lernen mit ADHS: Der praktische Ratgeber für Eltern (S. Rietzler, F. Grolimund)

 

Für Schüler: Clever lernen (S. Rietzler, F. Grolimund)

Leitlinie